Einleitung
Die Stranggusstechnologie hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig weiterentwickelt. Neben den prozessbedingten Modernisierungen sind auch die Qualitätsanforderungen an das Produkt gestiegen. Schon kleinste Defekte am Halbzeug können in weiterer Folge massive Schädigungen an den gewalzten Blechen hervorrufen. Häufige Fehler sind Risse, welche im und am Produkt entstehen können und hauptsächlich durch die Spannungen und Dehnungen am und im Material während des Stranggießens und Walzens entstehen.
Die Belastungen sind selbst in modernen Stranggießanlagen gegeben und können nur teilweise vermindert werden. Eine Minimierung von Oberflächendefekten stellt aber einen wichtigen Aspekt beim Produktionsprozess stranggegossener Brammen dar, da die Entfernung dieser Defekte mit hohen Kosten verbunden ist. Eine wirtschaftliche Produktion qualitativ hochwertiger Produkte benötigt daher einen optimal verlaufenden Herstellungsprozess. Um dies zu erreichen, müssen jene Mechanismen, die zur Rissbildung führen, verstanden werden. Die Gründe für die Oberflächenrissbildung können sehr komplex sein. Unterschiedliche Szenarien an verschiedenen Maschinen können oft nicht pauschalisiert werden und die Rissbildung trotz der Kenntnisse von schädlichen Einflüssen nicht vermieden werden. Aufgrund dieser Tatsachen muss der Wissensschatz um die Mechanismen und die Einflussfaktoren stetig erweitert werden.
Ziele und Motivation
- Ermittlung der Wechselwirkungen der unterschiedlichen Einflussfaktoren auf die Oberflächenrissbildung und Bestimmung der Rissanfälligkeit von Stahlgüten
- Bestimmung des Ausscheidungsverhaltens beim Strangguss- und Walzprozess durch Simulation und Experimente und Implementierung von Modellen zur Korngrenzensegregation und Poren-Nukleation
- Experimentelle Verifizierung thermomechanischer Einflussfaktoren hinsichtlich Auswirkung auf den Hochtemperatur-Duktilitätsverlauf verschiedener mikrolegierter Stähle
- Verständnis der Einflussfaktoren der Mikro- und Nano-Struktur auf die Bildung von Rissen
Vorgehensweise
Theoretische Literaturstudien hinsichtlich der beim Stranggießen und Warmwalzen auftretenden Rissmechanismen, thermomechanischer Berechnungen und experimenteller Laborversuche mit begleitenden mikroskopischen Untersuchungen sind im gegenständlichen Projekt 2.3 geplant. Zur experimentellen Untersuchung der Neigung zur Oberflächenrissbildung unter stranggießnahen Bedingungen wird der IMC-B Test verwendet (In-situ Material Characterization-Bending test). Dieses Experiment erlaubt die Deformation von in-situ gegossenen und gekühlten Proben mit definierten Dehnungen und Dehnraten. Zusätzlich erfolgen thermogravimetrische Untersuchungen für die Ermittlung des Einflusses der selektiven Korngrenzenoxidation.
Daneben werden im Projekt die Ausscheidungsbildung und Mikrostrukturentwicklung durch Experimente mit dem System GLEEBLE und dem Bähr-Abschreckdilatometer simuliert. Diese Daten dienen zur Verifikation von Simulationsrechnungen. Außerdem stellen Wärmebehandlungen einen weiteren Teil der geplanten Methodik dar. Dafür wird die Heißzugtestapparatur BETA-250-5 verwendet, um das Hochtemperaturduktilitätsverhalten unterschiedlicher Stahlgüten zu quantifizieren.
Die numerischen Berechnungen umfassen thermomechanische Modellierungen (Finite-Elemente-Simulationen) sowie Simulationen der Ausscheidungsbildung und Korngrößenentwicklung (Vorhersage der Poren-Nukleation). Für die mikroskopischen Untersuchungen wird unter anderem ein Transmissionselektronenmikroskop zur Charakterisierung von kleinen und fein verteilten Ausscheidungen verwendet. Hierbei wird, soweit möglich, neben der Größenverteilung der Ausscheidungen auch deren chemische Zusammensetzung bestimmt. Für die Untersuchung von Phasenumwandlungen und Kornwachstum wird auch ein Hochtemperatur-Laser-Scanning-Konfokal-Mikroskop (HT-LSCM) zum Einsatz kommen.
Ergebnisse und Anwendung
Erwartet werden die Generierung kritischer experimenteller Parameter für die Bildung von Oberflächenrissen und darauf basierend, die Definition von Defekt-Risiken Indizes. Daneben soll der Effekt von Kokillenspezialdesigns (z.B. Kokillengeometrie) und Abkühlbedingungen (Temperaturen, Haltezeiten) auf die Defektbildung quantifiziert werden.
Im Bereich der Simulation der Ausscheidungsbildung und Korngrößenentwicklung soll durch Kombination unterschiedlicher Modelle eine Methodik zur qualitativen Vorhersage des Duktilitätsverlaufs entwickelt werden. Dies dient als Ausgangspunkt zur Identifikation signifikanter Parameter hinsichtlich der Bildung oberflächennaher Risse während des Stranggussprozesses und Walzens. Letztendlich lässt sich daraus dann eine Methode zur Bestimmung der Rissanfälligkeit durch thermomechanische Behandlung von Laborproben ableiten. Erwartet wird zudem ein Beitrag zur Identifikation der relevanten Mechanismen, welche zur Rissbildung beim Stranggießen in Abhängigkeit der Wärmebehandlung und der Stahlqualität führen.