Projektmenu

Einleitung

Ziel des gegenständlichen Projektes 1.1 ist die Entwicklung von Methoden zur Bestimmung von Stoffdaten metallurgischer Schlackensysteme. Schlacken stellen ein Nebenprodukt bei Schmelzproduktions- bzw. bei Roheisen- und Stahlbehandlungsprozessen dar. Diese haben bei der Herstellung von Stahl, wo flüssige Metallschmelzen eine Rolle spielen, wichtige metallurgische Aufgaben zu erfüllen. Die Schlackenzusammensetzung beeinflusst die Prozesseffizienz in den verschiedenen Prozessstufen der Eisen- und Stahlproduktion in großem Maß. Die schnelle Bildung einer reaktiven Schlacke mit bestimmter Viskosität, Dichte und Chemie ermöglicht Stahlveredelungsschritte wie Entschwefelung und Entphosphorung. Daher kann die Kenntnis der physiko-chemischen Eigenschaften von Schlacken zu einer verbesserten Prozessführung und somit zu einer erhöhten Produktivität beitragen. Dementsprechend benötigt die Optimierung metallurgischer Prozesse auch ein gutes Verständnis und Wissen bezüglich der Schlackenbildung.

Die Viskosität von Schlacken ist bei metallurgischen Prozessen ein entscheidender Parameter beim Verfahrensablauf und bei der effektiven Nutzung von Energie. SiO2, Al2O3, CaO und MgO sind die vier Hauptkomponenten in metallurgischen Schlacken, oder Schlacken aus Kohlekraftwerken, Keramik, Glas, Magma etc. Aus diesem Grund liegen zahlreiche Studien über die Viskosität von Schlacken, die ausschließlich diese vier Oxide beinhalten, vor. Das Messen von Schlacken mit zusätzlichen Komponenten, allen voran Eisenoxid ist wesentlich aufwändiger. Da Messungen zeitintensiv und sehr teuer sind, Schlacken aber je nach Industriezweig sehr unterschiedliche Zusammensetzungen aufweisen, sind in der Literatur über die Viskosität von Schlacken mit zusätzlichen Bestandteilen als die oben genannten Oxide  nur eingeschränkt Daten zu finden.

Zur Generierung einer reaktiven, effizient arbeitenden Schlacke werden den metallurgischen Aggregaten Additive, sogenannte Schlackenbildner, in fester Form zugegeben. Je nach Typ der Schlacke sollen damit Elemente wie z. B. Schwefel oder Phosphor aus der Metallschmelze entfernt und stabil abgebunden. Darüber hinaus will man damit auch den Verschleiß des Feuerfestmaterials so gering wie möglich halten. Die Auflösungsgeschwindigkeit der Schlackenbildner bestimmt die Effizienz der Entfernung von Verunreinigungen. Andererseits ist eine hohe Auflösungsrate von nichtmetallischen Metalleinschlüssen in der Schlacke für eine hohe Stahlreinheit wesentlich. Da beispielsweise im Konverter ein Blasevorgang maximal 15 bis 20 Minuten dauert, muss eine möglichst rasche Auflösung der Schlackenbildner erfolgen, um eine reaktive Schlacke zur Abbindung von Phosphor zu bilden. Daher ist die Kenntnis der Auflösungsgeschwindigkeit von großer Bedeutung, um den Fortschritt von Reaktionen in der Metall-Schlacke-Zone zu verstehen.

Eine Hürde, um Reaktionen in Metall-Schlacke-Systemen bzw. Schlacken-Gasphasenreaktionen zu beschreiben, ist, dass Daten zu thermodynamischen Aktivitäten und Diffusionskoeffizienten der beteiligten reaktiven Spezies in den typischen Schlackensystemen der Eisen- und Stahlmetallurgie in der Literatur nicht befriedigend beschrieben werden. Das Interesse liegt dabei am Sauerstoff sowie an unterschiedlichsten Metallen. Die Aktivität reaktiver Spezies hängt zudem mit der elektrischen Leitfähigkeit zusammen, welche ebenfalls im Fokus des gegenständlichen Projektes 1.1 steht. Schließlich sind Stoffdaten wie Dichte, Liquidus- und Solidustemperatur sowie das Kristallisationsverhalten von Schlacken notwendig, um metallurgische Reaktionen besser zu verstehen sowie um bestehende numerische und analytische Modelle weiterentwickeln zu können.

Ziele und Motivation

  • Umfassende Kompetenz des Zentrums und seiner Partner hinsichtlich der Messung von Schlackenstoffdaten
  • Methode zur Bestimmung der Viskosität von metallurgischen Schlacken
  • Methode zur Bestimmung von Diffusionskoeffizienten diverser Metalle in Schlacken
  • Messmethode zur Bestimmung der Aktivitäten von Sauerstoff und diverser Metalle in Schlacken
  • Methode zur Messung der elektrischen Leitfähigkeit von Schlacken
  • Methode für Liquidus- und Solidustemperatur sowie für das Kristallisationsverhalten ausgewählter Schlackentypen

Vorgehensweise

Fundamentale Literaturrecherchen stellen den Startpunkt der geplanten Methodik dar. Im Zuge dieser Recherchen gilt es herauszufinden, welche Schlackensysteme untersucht werden können. Zudem muss festgelegt werden, welche Komponenten, d. h. welche metallischen Elemente sich mit welchen Messmethoden erfassen lassen.

Basierend auf den Ergebnissen der Literaturrecherchen werden bestehende experimentelle Methoden gemäß den notwendigen Anforderungen adaptiert, d.h. die optimalen Messparameter definiert bzw. neue Messmethoden entwickelt. Für die Bestimmung der Viskosität werden die Methoden der Hochtemperatur-Rheometrie sowie der Air Levitation Technique angewandt. Ein Hochtemperatur-Rohrofen wird zur Bestimmung von Diffusions-koeffizienten eingesetzt. Dabei sollen statische und dynamische Tests (feststehende und rotierende Probenzylinder) durchgeführt werden.

Das Sauerstoffpotential, d.h. die Aktivität von Sauerstoff in Schlackensystemen, lässt sich beispielsweise elektrochemisch durch die elektromotorische Kraft (EMK) bestimmen. Die EMK (entspricht einer Quellenspannung) wird in einer Elektrodenzelle gemessen. In der Literatur sind die Methoden der „high frequency cyclic voltammetry“ und der „stepped potential chronoamperometry“ zur Messung der elektrischen Leitfähigkeit, d.h. der Ionenmobilität von Schlacken bei Temperaturen bis zu 1.650 °C sowie definierter Schlackenzusammensetzung und Gasatmosphäre, bekannt. Dabei geht es darum, eine elektrochemische Messzellenkonfiguration zu entwerfen, welche schlackenresistent ist und nichtkorrosive Materialkombinationen für die Zellelektroden darstellen, um die Zelle in die Heizvorrichtung optimal zu integrieren.

Für die Bestimmung der Liquidus- und Solidustemperatur sowie des Kristallisationsverhaltens sollen für geeignete Schlackensysteme die Methoden der Differential-Thermoanalyse (DTA) sowie der Hot Thermocouple Technique zum Einsatz kommen. Es ist hinlänglich bekannt, dass die Hot Thermocouple Technique auf transparente Schlackensysteme mit geringen Gehalten an flüchtigen Komponenten und Liquidustemperaturen unter 1.400 °C beschränkt ist. Diese und ähnliche Restriktionen müssen bei der Wahl der Schlackensysteme sowie der Messmethoden in Betracht gezogen werden.

Gemessene Viskositäten, Diffusions- und Aktivitätskoeffizienten werden mit Modellrechnungen (Softwarepaket FactSage) evaluiert und werden ebenso dafür verwendet, die FactSage Datenbanken zu erweitern. Des Weiteren ist als begleitende Maßnahme die Erstellung eines EMK-Modells geplant, um eine physiko-chemische Formulierung zur Beschreibung der transienten EMK-Verläufe beim Hochofenprozess zu generieren.

Ergebnisse und Anwendung

Am Projektende wird eine umfassende Kompetenz hinsichtlich der Abschätzung erwartet, welche Methoden für welche metallurgischen Schlackensysteme eingesetzt werden können. Messbare Schlackensysteme und Parametergruppen sollen untersucht und bestimmt werden. Ein wichtiges Ergebnis in diesem Zusammenhang wird die Definition von Einschränkungen sein, d.h. die Nichtanwendbarkeit von Messmethoden für bestimmte Schlacken. Die geplanten Arbeiten sollen in eine Kompetenzmatrix hinsichtlich Betrachtung und Bestimmung unterschiedlichster Schlackensysteme und Stoffparameter münden. Zudem sollen geeignete Messmethoden standardisiert und die Machbarkeit bewertet, Methoden von der Labor- in die industrielle Umgebung transferiert bzw. notwendige Adaptierungen präzisiert werden.

Für die Schlackenviskosität soll die Air Levitation Technique als Alternative zur Rheometrie hinsichtlich ihrer Eignung bewertet werden. Des Weiteren sollen Methoden zur Bestimmung von Diffusions- und Aktivitätskoeffizienten sowie der elektrischen Leitfähigkeit entwickelt und, falls möglich, standardisiert werden. Möglichkeiten und Einschränkungen der DTA sowie der Hot Thermocouple Technique zur Bestimmung der Liquidus- und Solidustemperatur sowie des Kristallisationsverhaltens transparenter Schlacken werden ebenso am Ende des Projektes 1.1 erwartet. Die mit den entwickelten Messmethoden generierten Stoffdaten sollen letztendlich zu einem tieferen Verständnis der in den Prozessen ablaufenden metallurgischen Reaktionen beitragen.